Einleitung

Ende 2019 hat die Europäische Union den „European Green Deal“ beschlossen, wonach die Mitgliedsstaaten bis 2050 klimaneutral werden sollen. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um mindestens 55% gegenüber dem Stand 1990 sinken und der Anteil erneuerbarer Energien soll dann bei 40% liegen (gegenüber 22% in 2020). Ohne den weiteren massiven Ausbau der Windenergiegewinnung sind diese ehrgeizigen Ziele nicht zu erreichen.

Die Gesamtnennleistung aller Windenergieanlagen in Europa beträgt derzeit rund 236 GW. In 2020 kamen 17 GW Nennleistung hinzu, wobei rd. 19% davon auf Offshoreanlagen entfielen (Komusanac et al. 2022). Es wird davon ausgegangen, dass in den nächsten 5 Jahren mindestens 116 GW hinzukommen (Bild 1), wovon etwa 25% auf Offshoreanlagen entfallen wird. In 2050 soll der Anteil der Stromproduktion durch Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) nach den Plänen der EU ca. 20% betragen.

Bild 1:  Installierte Windenergienennleistung pro Jahr in Europa mit Prognose bis 2026 (Komusanac et al. 2022)

In den vergangenen dreißig Jahren ist die Größe von Windenergieanlagen stetig gewachsen, da mit größeren Anlagen eine effizientere Stromerzeugung und geringerer Platzbedarf verbunden ist und überdies in größeren Höhen stärkere und stabilere Windverhältnisse herrschen. Bild 2 verdeutlicht die Entwicklung. Aktuell liegen die größten Rotordurchmesser und Nabenhöhen in der Größenordnung von rd. 200 m, mit weiter steigender Tendenz. Mit Turmhöhe und Rotordurchmesser steigen auch die in den Baugrund abzutragenden Lasten überlinear an.

Grafik

Bild 2:  Entwicklung von maximaler Nennleistung, dem maximalen Rotordurchmesser und maximaler Nabenhöhe bei On- und Offshore-WEA (SFB 1463, 2020)

Bild 3 zeigt schematisch die derzeit wichtigsten Gründungsvarianten für OWEA. Ca. 80% aller in Europa installierten OWEA sind auf Monopiles, d. h. einzelnen Stahlrohrpfählen großen Durchmessers, gegründet (Ramirez et al. 2021). Dieser Gründungstyp hat sich aus herstellungs- und installationstechnischer Sicht bewährt und kommt deshalb immer zum Einsatz, wenn die (nicht zu große) Wassertiefe und die Baugrundbedingungen dies erlauben. Ansonsten kommen meist Jacketstrukturen zum Einsatz, bei denen die Gründungslasten in den Eckpunkten des Jackets in den Baugrund abgeleitet werden. Die Standardlösung dafür sind Stahlrohrpfähle, inzwischen werden aber statt der Pfähle auch „Suction Caissons“ eingesetzt. Hierbei handelt es sich um mit einem „Deckel“ versehene Stahlzylinder, welche mittels Unterdruck (Suction) in den Baugrund eingebracht werden.

In diesem Beitrag soll auf die Bemessungsanforderungen für solche Gründungen und die Bemessungsverfahren für Monopiles näher eingegangen werden.

Windenergieanlage Skizze

Bild 3:  Gründungsvarianten für OWEA: Monopile (links), Jacketstruktur mit Pfählen (mitte), Jacketstruktur mit Suction Caissons (rechts)

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Anforderungen an die Bemessung

Wie für alle Gründungen müssen auch für Offshorewind-Gründungen Tragfähigkeits- und Gebrauchstauglichkeitsnachweise geführt werden. Eine Besonderheit ist allerdings die große Bedeutung zyklischer Lasteinwirkungen. Die Hauptlasten sind die auf Turm und Rotor wirkenden Windlasten sowie die auf die Unterstruktur wirkenden Wellenlasten, welche beide zyklisch und mit hohen Lastspielzahlen auftreten. Entsprechend sind die Effekte aus zyklischen Lasten nicht unerheblich und müssen in der Bemessung berücksichtigt werden.

Hinsichtlich der Tragfähigkeit, d.h. bei der Ermittlung der zum Tragfähigkeitsverlust führenden Belastung, ist im allgemeinen eine zyklische Degradation zu berücksichtigen. Zum Beispiel während eines Sturmereignisses können die hohen zyklischen Wellenlasten dazu führen, dass sich im Boden um die Gründungsstruktur Porenwasserüberdrücke akkumulieren. Hierdurch werden die Effektivspannungen im Boden reduziert, was zu einer reduzierten Tragfähigkeit der Gründung führt.

Hinsichtlich der Gebrauchstauglichkeit ist zu berücksichtigen, dass zyklische Belastungen zu einer Vergrößerung der Verformungen im Boden und damit der Verschiebungen und Verdrehungen der Gründungsstruktur führen. Für den Betrieb einer Windenergieanlage ist die bleibende Schiefstellung des Turmes kritisch. In den meisten Projekten ist eine maximale bleibende Schiefstellung um einen Winkel von 0,5° gefordert. Entsprechend gilt es, im Rahmen der Bemessung rechnerisch nachzuweisen, dass am Ende der Lebensdauer, d. h. nach Einwirkung aller über diese Zeitspanne von z. B. 25 Jahren zu erwartenden zyklischen Lasten, diese bleibende Verdrehung der Gründungsstruktur nicht überschritten wird.

Aus der Tatsache, dass Offshorewind-Gründungen im Prinzip Fundamente einer dynamisch arbeitenden Maschine sind, ergibt sich eine weitere Anforderung an die Gründung. Im normalen Betrieb der Windenergieanlage wird das aus Turm und Gründung bestehende Gesamtsystem besonders durch zwei Frequenzen dynamisch angeregt: Eine, die „1P“-Frequenz, resultiert aus unvermeidbaren Massenunwuchten der Maschine und ergibt sich aus der Anzahl der Rotorumdrehungen pro Sekunde. Wenn der Rotor beispielsweise 5 Sekunden für eine Umdrehung benötigt, ergibt sich daraus eine Anregungsfrequenz von 1/5 = 0,2 Hz. Bei den üblichen Rotoren mit 3 Blättern ist die dreifache Frequenz („3P“, für das Beispiel also 0,6 Hz) eine weitere Anregungsfrequenz, die sich aus dem Passieren der Blätter vor dem Turmschaft (und entsprechender schlagartiger Veränderung der Windlast auf den Rotor) ergibt. Um Resonanzen und damit zu hohe Ermüdungslasten der Struktur zu vermeiden, muss die Eigenfrequenz des Gesamtsystems nun so „eingestellt“ werden, dass sie weder der 1P- noch der 3P-Frequenz entspricht. In der Regel wird eine „soft-stiff“-Auslegung gewählt, was bedeutet, dass die Eigenfrequenz zwischen den beiden Hauptanregungsfrequenzen liegt. Die Wahl der Eigenfrequenz oberhalb der 1P-Anregungsfrequenz sorgt auch dafür, dass die Eigenfrequenz der Gesamtstruktur oberhalb der Hauptanregungsfrequenzen aus Wind- und Wellenlasten liegt (welche unterhalb von 0,2 Hz liegen).

In Bild 4 ist ein „Campbell-Diagramm“ für eine Windenergieanlage wiedergegeben. Im normalen Betrieb der Anlage sind im Beispiel – je nach Windbedingungen – 10 bis 20 Rotorumdrehungen pro Minute geplant. Daraus ergibt sich eine maximale 1P-Frequenz von 0,33 Hz und eine minimale 3P-Frequenz von 0,5 Hz. Die Eigenfrequenz der Gesamtstruktur muss also um ein gewisses Maß größer als 0,33 Hz und ein gewisses Maß kleiner als 0,5 Hz sein, um Resonanzeffekte im Betrieb zu vermeiden. Da die Eigenfrequenz des Gesamtsystems von der Steifigkeit der Gründungsstruktur abhängt, ergeben sich hieraus spezielle Anforderungen an die minimale Steifigkeit der Gründung unter Betriebslasten.

Umdrehungen

Bild 4:  Campbell-Diagramm einer Windenergieanlage (Beispiel)

Im Rahmen eines britischen Forschungsprojekts wurde die PISA-Methode entwickelt. Hier werden zusätzlich zu den horizontalen Federn entlang des Pfahlschafts noch weitere Federn angesetzt, nämlich eine Horizontalfeder und eine Drehfeder am Pfahlfuß sowie Drehfedern entlang des Pfahlschafts, welche den Einfluss durch die Pfahlbewegung mobilisierter vertikal gerichteter Schubspannungen am Pfahlschaft erfassen sollen (Burd et al. 2020). Auch für dieses Verfahren konnte mittels numerischer Simulationen sowie auch durch im PISA-Projekt durchgeführte Großversuche gezeigt werden, dass das Tragverhalten eines Monopiles mit großem Durchmesser gut wiedergegeben wird. Allerdings erfordert die Bestimmung der nichtlinearen Kennlinien aller Federn im Allgemeinen aufwendige numerische Simulationen.

Für die Berücksichtigung der oben genannten zyklischen Effekte auf das Tragverhalten von Monopiles gibt es bislang noch kein standardisiertes Verfahren. Für die klassischen p-y-Methoden gibt es zusätzlich zu den statischen auch „zyklische p-y-Kurven“, welche ein weicheres Verhalten der Federn beschreiben. Diese Kurven wurden anhand von Versuchen an flexiblen Pfählen mit 100 bis 200 Lastzyklen kalibriert. In vielen Projekten werden solche zyklischen p-y-Kurven für die Monopilebemessung verwendet und es wird davon ausgegangen bzw. nachgewiesen, dass im relevanten Bemessungssturm die Anzahl der „äquivalenten“ Lastzyklen der Maximallast unter 100 bleibt und somit die Tragfähigkeitsreduktion durch zyklische Lasten durch die zyklischen p-y-Kurven erfasst ist.

Für die Berechnung der über die Lebensdauer des Monopiles akkumulierten bleibenden Verdrehungen wird oft ein von LeBlanc et al. (2010) vorgeschlagenes Verfahren angewandt, mit welchem die Zunahme der Pfahlkopfverschiebung oder –verdrehung abhängig von der Lastzyklenzahl näherungsweise ermittelt werden kann. Wünschenswert wäre eine p-y-Methode, welche die Anzahl der Lastzyklen als Eingabewert verwendet und die für diese Lastzyklenzahl gültigen p-y-Kurven (und damit auch die zugehörige Biegelinie des Pfahls) generiert. Am Institut des Autors wird an einer solchen Methode für Pfähle in Sandböden gearbeitet (Achmus & Song 2022).

Ein Problem der Monopiletechnik liegt in der üblichen Installationsmethode. Monopiles werden bislang in der Regel mittels Schlagrammung in den Boden eingebracht, wobei wegen der großen Pfahlabmessungen die größten und schwersten verfügbaren Rammhämmer eingesetzt werden müssen. Hierdurch entstehen starke Hydroschallemissionen, welche sich ungünstig auf die Meeresfauna auswirken. In der Genehmigung solcher Installationen werden meist Schallgrenzwerte festgelegt, welche nur mittels aufwendiger Begleitmaßnahmen (z. B. die Herstellung eines Blasenschleiers um den Rammpunkt) eingehalten werden können. Seit längerer Zeit schon wird deshalb das hinsichtlich Hydroschall weit schonendere Einvibrieren des Pfahls diskutiert und teilweise auch bereits praktiziert.

Ausblick

Es ist davon auszugehen, dass der Trend zu immer größeren Windenergieanlagen weitergehen wird (vgl. Bild 2) und damit auch immer größere Gründungsstrukturen erforderlich werden. Aus diesem Trend ergeben sich in allen beim Entwurf und der Bemessung beteiligten Fachdisziplinen neue Fragen und Herausforderungen. Seit 2020 existiert an der Leibniz Universität Hannover der Sonderforschungsbereich „Integrierte Entwurfs- und Betriebsmethodik für Offshore-Megastrukturen“, in dem zu diesen Fragen (auch unter Beteiligung von Forschern anderer Universitäten, insbesondere der Universität Oldenburg) geforscht wird (Näheres s. https://www.sfb1463.uni-hannover.de/de/).

Für die Gründungsstrukturen stellt insbesondere die Berücksichtigung der zyklischen Effekte auf das Tragverhalten (Tragfähigkeit, Verformungen, Steifigkeit unter Betriebslasten) eine große Herausforderung dar. Darüber hinaus ist das Verhalten vibrierter Monopiles oder alternativer Gründungssysteme wie Suction Caissons unter den komplexen Belastungsbedingungen nicht abschließend geklärt. Es besteht deshalb weiterhin großer Forschungsbedarf in diesem Bereich.

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